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Landtagswahlkampf mit Onlinewerbung

Wählerinnen und Wähler mit den richtigen Themen erreichen

Wie erreicht man Menschen, die sich nicht (mehr) für Politik interessieren? Wie trägt man politische Ideen an Bürgerinnen und Bürger heran, die immer seltener Tageszeitungen und klassischen Rundfunk nutzen?[1] Wie kommt man mit denjenigen ins Gespräch, die wenig Vertrauen in Massenmedien und politische Institutionen haben? Diese Fragen beschäftigten auch die Wahlkampfmanager vor den Landtagswahlen im Herbst 2019. Die Datenbanken von Facebook und Google zeugen davon, dass Onlinewerbung zumindest in Teilen dafür genutzt wurde, um Wählerinnen und Wähler gezielt anzusprechen. Welche Rolle spielte Onlinewerbung bei den Landtagswahlen und welche Hoffnungen verknüpften Parteien und Kandidaten mit den neuen Kommunikationskanälen?

Die Relevanz von politischer Onlinewerbung nimmt zu

„Onlinewerbung ist inzwischen ein etabliertes Instrument politischer Kampagnen. Es ist zu erwarten, dass die Relevanz daher auch in zukünftigen Wahlen hoch bleibt und sich neue Formate entwickeln werden,“ so David Kockerols, Verantwortlicher der Online-Kommunikation der CDU Sachsen. Die CDU Sachsen habe dreimal so viel Budget in Onlinewerbung investiert wie bei der Landtagswahl 2014. Auch der Forscher Simon Kruschinski (Universität Mainz) beobachtet, dass gezielte Onlinewerbung insbesondere auf Facebook und zunehmend auf Instagram in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. Allerdings seien Plakate und Wahlkampfstände als klassische Methoden der Wahlkampfkommunikation weiterhin sehr wichtig für die Parteien, schränkt er ein.

Welche Vorteile verbinden Parteien mit Onlinewerbung in Wahlkämpfen? Immer weniger Bürgerinnen und Bürger beziehen ihre Informationen aus traditionellen Medien, führt Katrin Molkentin, Pressesprecherin der SPD Brandenburg, im Gespräch an. Daher müssten Parteien ihr Kommunikationsverhalten ändern und die Menschen auch über die Sozialen Medien ansprechen. Nur so könnten sie ihrem im Parteiengesetz festgeschriebenen Auftrag gerecht werden und an der Willensbildung in der Gesellschaft teilnehmen. „Mit bezahlter Onlinewerbung war es uns möglich, auch Personen außerhalb der eigenen „Fans“ mit unseren Botschaften zu erreichen,“ sagt David Kockerols. Denn mit unbezahlten Beiträgen erreiche man über Social Media nur Personen, die einen bereits kennen. 

Targeting als Chance in den Landtagswahlkämpfen

Das Besondere an Onlinewerbung ist die Möglichkeit, Werbeanzeigen an genau bestimmte Zielgruppen auszuspielen. Dabei können sowohl persönliche Eigenschaften wie Alter, Geschlecht oder Wohnort als auch (angenommene) Interessen und ideologische Präferenzen dafür genutzt werden, einzelne Wählerinnen und Wähler ganz gezielt mit Werbung anzusprechen. (Micro-)Targeting wird in aktuellen Wahlkämpfen immer bedeutender, sagt Jörg Haßler (Universität München), der zu digitaler demokratischer Mobilisierung forscht. Jedoch sind die damit verbundenen Möglichkeiten für die Parteien relativ neu. Daher werde viel experimentiert. Einen Lernprozess beschreibt auch Katrin Molkentin. So habe ihr Team Anzeigen geschaltet und geschaut, wie darauf reagiert wurde. Je nach Erfolg mussten sie nachsteuern, um das Budget möglichst effizient einzusetzen. Sie gibt dabei an, dass ihre Partei zielgruppenspezifische Onlinewerbung geschaltet habe. Gezielte Werbung sei laut Molkentin eine Möglichkeit, die Menschen mit den richtigen Themen, aber auch mit der richtigen Sprache zu erreichen. Und auch David Kockerols bestätigt, „bei speziellen Themenkampagnen“ gezielt Menschen angesprochen zu haben, die „ein Thema besonders interessiert bzw. betrifft“.

Vor allem für kleine Parteien und Ortsgruppen ergeben sich jedoch auch Probleme beim Online-Targeting. Oliver Numrich, der die Pressearbeit der FDP Ortsgruppe Ostprignitz-Ruppin leitet, kritisiert, dass es bei Facebook keinen Ansprechpartner für Nachfragen gebe, sondern ausschließlich ein automatisiertes Frage-Tool. Er habe die Werbeanzeigen an Frauen und Männer über 18 Jahre gerichtet, die im Umkreis von 40 Kilometern wohnen. Hierbei zeigte sich ein anderes Problem: So konnte der von der FPD Ortsgruppe investierte Betrag nicht vollständig ausgespielt werden, da diese Kriterien auf zu wenig Facebooknutzende in der Region zutrafen. Ein Erfolg der Onlinewerbung habe sich Oliver Numrich zufolge nicht gezeigt. Vielmehr habe man mit den Werbeanzeigen nur die Personen erreicht, die die Partei ohnehin kennen und wählen.

Ein weiteres Problem betraf sowohl die FDP Ortsgruppe als auch die SPD Brandenburg: Facebook sperrte einige Accounts von Kandidaten und allgemeine Parteiprofile für Werbeanzeigen oder löschte diese gänzlich. Eine detaillierte Begründung wurde von Facebook nicht mitgeteilt.

Onlinewerbung zwischen Verheißung und Realität

Den Vorteil von Targeting sieht Simon Kruschinski vor allem darin, dass es Parteien ermöglicht, die in Wahlkämpfen knappen Ressourcen wie Zeit und Geld effektiver einzusetzen. Er vermutet, dass zielgerichtete Onlinewerbung in Zukunft noch stärker eingesetzt werden wird, da die Parteien lernen würden, damit zu arbeiten. Zu befürchten wäre jedoch ein neues Ungleichgewicht: So hätten Parteien mit mehr finanziellen Ressourcen, mehr Know-How und mehr Daten einen Vorteil gegenüber kleineren Parteien.

Der Politikberater Martin Fuchs weist jedoch darauf hin, dass in der „heißen Phase“ eines Wahlkampfes mit Werbung nur wenig mobilisiert werden könne. Viel entscheidender und wichtiger für Parteien sei, dass sie auch in den Zeiträumen zwischen den Wahlkämpfen politische Onlinewerbung einsetzen, um so verschiedene Zielgruppen zu erreichen und Beziehungen aufzubauen. Sowohl im Europa- als auch im brandenburgischen Wahlkampf habe sich laut Fuchs gezeigt, dass die Parteien, die am meisten Geld für politische Onlinewerbung ausgegeben haben, die größten Verlierer waren. Möglichst hohe finanzielle Aufwendungen hängen also keineswegs mit einem hohen Wahlergebnis zusammen, so Martin Fuchs.

Auf lange Sicht sei der Einsatz von Onlinewerbung davon abhängig, wie sich die Sozialen Netzwerke in der Zukunft entwickeln würden, meint Simon Kruschinski. Denn in den letzten Monaten änderten sowohl Twitter als auch Google ihre Richtlinien bezüglich politischer Onlinewerbung.[2] Auch Facebook soll eine mögliche Änderung der Richtlinien in Erwägung ziehen.[3] Welche Rolle Onlinewerbung in Zukunft für die politische Kommunikation der Parteien spielen wird, bleibt daher eine offene Frage.

Quellen

[1] In den letzten zehn Jahren ist die Nutzung von Tageszeitungen in Deutschland um 20 Prozentpunkte auf 34 Prozent gesunken, und die Nutzung von Fernsehangeboten um 11 Prozentpunkte auf aktuell 75 Prozent gesunken. Vgl. Mediengewichtungsstudie der Medienanstalten 2019 I

[2] https://www.theguardian.com/technology/2019/nov/20/google-political-ad-policy-facebook-twitter

[3] https://qz.com/1768509/facebook-considers-changes-to-its-political-ad-policy/

Recherche und Text: Lena Krampitz

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