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Lokaljournalismus fördern – aber wie? Gastbeitrag von Jun.-Prof. Dr. Leyla Dogruel

 

Lokal- und Regionalmedien stehen vor der Herausforderung, dem strukturellen Wandel im Mediensystem zu begegnen – und das nicht erst seit der zunehmend schwierigen wirtschaftlichen konjunkturellen Situation in der Corona-Krise. Die Ursachen sind weitgehend bekannt und reichen von begrenzten Refinanzierungsmöglichkeiten durch schrumpfende lokale Werbemärkte, der Abwanderung von Werbe- und Rubrikenmärkten zu Internet-Intermediären über Veränderungen in der Informationsnutzung gerade junger Zielgruppen bis hin zur geringen Zahlungsbereitschaft für Qualitätsjournalismus. Ausdruck und teilweise Folge sind sinkende Auflagen und Reichweiten lokaler Medienangebote, die wiederum zu wirtschaftlichen Sparmaßnahmen und Einschnitten in Vielfalt und Qualität lokaljournalistischer Leistungen führen (können).

Dabei ist die gesellschaftliche und demokratietheoretisch begründete Funktion lokaler Medien unbestritten: Sie tragen zur politischen Meinungsbildung und Teilhabe bei, üben Kontrolle über (lokale) politische und wirtschaftliche Machthaber und versorgen die Bevölkerung mit lokalen Informationen.

Auf dem Weg zu einer direkten Journalismusförderung

Die drängende Frage, wie heute und in Zukunft ein vielfältiges, unabhängiges journalistisches Angebot auf lokaler und regionaler Ebene gewährleistet werden kann, beschäftigt mittlerweile nicht nur die betroffenen Medienunternehmen, sondern auch die Medienpolitik: Erstmals werden in Deutschland Formen direkter Journalismusförderung aus Staatsmitteln breit diskutiert oder werden – wie die Vorreiterrolle von Berlin und Brandenburg zeigt – im Staatsvertrag verankert. Auch unsere europäischen Nachbarländer gehen ähnliche Wege, wie das Beispiel der Schweiz zeigt. Dort soll Journalismus künftig übergreifend aus Mitteln des Staatshaushalts finanziert werden.

Maßnahmen staatlicher Medienförderung sind dabei keineswegs neu. Angesichts der demokratietheoretisch begründeten Funktionen von Journalismus und des (partiellen) Marktversagens von meritorischen, d.h. öffentlich erwünschten Leistungen wie Qualitätsjournalismus werden Medien, wie etwa die Presse, bereits lange durch indirekte Subventionen unterstützt. Diese umfassen Steuerermäßigungen, günstigere wettbewerbsrechtliche Bedingungen und zuletzt auch Vertriebssubventionen für gedruckte Zeitungen.

Daneben existieren in zahlreichen europäischen Ländern, wie etwa in Skandinavien, bereits etablierte Modelle direkter Journalismusförderung. Sie binden die staatliche Unterstützung an konkrete Kriterien – z.B. Merkmale der Marktsituation wie die Förderung von Zweit-Zeitungen, um Monopolstellungen zu vermeiden, oder publizistische Leistungen wie Umfang und Qualität lokaljournalistischer Berichterstattung. Ziel ist es, die lokale Informationsversorgung in bestimmten Regionen zu sichern oder sogar zu stärken.  

Zudem gibt es zahlreiche private Initiativen und Stiftungen, die etwa im Rahmen von Projekt- und Personenförderungen lokaljournalistische Leistungen (z.B. Finanzierung von Investigativ-Recherchen) sowie Innovationen journalistischer Formate und Geschäftsmodelle unterstützen.

Unabhängig und plattformneutral – Orientierungspunkte für öffentliche Fördermaßnahmen

Die Ausgestaltung von Medienförderung – insbesondere, wenn diese aus öffentlichen Mitteln wie z.B. der Rundfunkgebühr finanziert wird –, ist deshalb eine medienpolitische Herausforderung, weil sie gleichermaßen Forderungen nach effizientem Einsatz und der Sicherung von Staatsferne gegenüber der Institution Journalismus gerecht werden muss.

Drei Prämissen lassen sich aus wissenschaftlicher Perspektive als wesentliche Orientierungspunkte für die Umsetzung öffentlicher Fördermaßnahmen von Lokaljournalismus identifizieren:

  • Förderung der Institution Journalismus: Anstelle einer (pauschalen) Subvention von Medienunternehmen sollte öffentliche Förderung möglichst konkret in (messbare) journalistische Leistungen fließen – mit dem Ziel, eine Erhöhung, Verbesserung, mindestens jedoch eine Aufrechterhaltung lokaljournalistischer Leistungen zu erreichen.
  • Kriterienbasierte Förderung: Damit eng verbunden ist die Empfehlung, direkte kriterienbasierte Formen der Förderung anzulegen, die an einer Verbesserung journalistischer Qualität, Vielfalt und Reichweite lokaler Berichterstattung orientiert ist. Dabei muss die Autonomie und Unabhängigkeit der Medien (Presse-, Rundfunk- und Tendenzfreiheit) gewahrt bleiben.
  • Plattformneutrale Journalismusförderung: Vergleichbar mit der Einrichtung plattformunabhängiger Förderungen in anderen europäischen Ländern (Norwegen, Schweden, Schweiz) sollte Journalismusförderung unabhängig von Mediengattung und Distributionsform Angebote fördern, sofern sie (lokal)journalistische Leistungen erbringen.

Inwiefern eine öffentliche Förderung von Lokaljournalismus sinnvoll und erfolgreich ist, hängt von der Klarheit über die zu erreichenden Zielsetzungen, dem Einsatz geeigneter Maßnahmen und nicht zuletzt der Akzeptanz durch die Anbieter von Journalismus selbst ab, die bislang vorrangig von indirekten Formen der Medienförderung profitiert haben. Die Aushandlung darüber bleibt also eine herausfordernde medienpolitische Aufgabe, die kontroverse Diskurse erwarten lässt.

Dr. Leyla Dogruel ist Juniorprofessorin für Mediensysteme und Medienleistungen am Institut für Publizistik der Universität Mainz und forscht zum Wandel von Medien(-strukturen), Medieninnovationen sowie den individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen datenbasierter Kommunikation (Privacy, Algorithmen).

Der hier veröffentlichte Gastbeitrag fasst die Präsentation zusammen, die Leyla Dogruel auf der Media Convenion Berlin 2020 zu Beginn des Panels "From zero to hero? Lokaljournalistische Vielfalt im Umbruch?" hielt. Ihre Präsentation sowie die anschließende Panel-Diskussion können Sie hier ansehen.

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