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Radioplayer Deutschland - Eine wichtige Innovation

Die deutsche Radiobranche hat ein Problem. Sie hat es nicht in fünf Jahren, sie hat es jetzt. Sie kann nicht mehr darauf warten, welche neue Online-Plattform demnächst unentbehrlich für eine moderne Medienmarke wird, ob DAB+ oder die Smart-Radio-Initiative doch noch ein Erfolg wird. Die deutsche Radiobranche braucht jetzt eine gemeinsame Strategie. Einen Plan, wie ihre Audioangebote zukünftig im Internet gehört werden sollen und wer daran verdient. Eine gemeinsame Radioplattform wäre ein guter Anfang.

Die größten Innovationen im Internet sind oft ganz klein. Klein, auf den ersten Blick trivial, die Auswirkungen oft erst Jahre später spürbar. Auch der geplante deutsche Radioplayer ist so eine Innovation und hat das Potenzial, die deutsche Radiobranche aus ihrem digitalen Dornröschenschlaf zu wecken. Dies wird allerdings nur gelingen, wenn alle Radiosender – privat, öffentlich-rechtlich und nicht-kommerziell – auf dieser neuen Plattform vertreten sind.

Die britische Erfolgsgeschichte

Anfang 2011 Jahren haben in Großbritannien die privaten Radioveranstalter und die BBC einen gemeinsamen Radioplayer gestartet. Das Non-Profit-Projekt verfolgt ein simples Ziel: Radio hören im Internet so einfach wie möglich gestalten. Bis dahin waren die Individuallösungen der einzelnen Sender uneinheitlich und machten Radio hören im Netz unnötig kompliziert. Die Sender einigten sich auf eine Technologie, sie stritten über scheinbare Banalitäten wie Höhe und Breite des Radioplayers, Position des Play-Buttons und des Lautstärkereglers, doch am Ende stand eine Lösung, bei der die Inhalte entscheidend sind, und nicht die Technologie dahinter.

Die eigentliche Innovation des Radioplayers steckt im Detail: Er ist nicht nur Ausspieloberfläche, sondern gleichzeitig Radiosuchmaschine. Das Programm des größten Konkurrenten oder einer kleinen Lokalstation war stets nur einen Klick entfernt. Für die beteiligten Radiosender, deren größte Angst der „Umschaltreflex“ des Hörers ist, war diese Herangehensweise ein Wendepunkt. Der „Keep-it-simple-Ansatz“ hatte Erfolg. Bereits ein Jahr nach dem Start der gemeinsamen Radioplattform hatten nahezu alle britischen Radiosender die individualisierten Playerlösungen auf ihren Webseiten deaktiviert und durch den standardisierten UK-Radioplayer ersetzt. Die Vereinheitlichung führte zu einem beachtlichen Reichweitenwachstum, laut RAJAR-Ergbenissen nahezu 40 Prozent jährlich.

Ein Modell für Deutschland?

Der Erfolg des britischen Projekts sprach sich schnell in der Branche herum und zunehmend interessierten sich auch Sender aus anderen europäischen Ländern für diese Lösung. So auch in Deutschland. Im September 2014 starteten die technischen Vorbereitungen, Anfang 2015 werden die meisten deutschen Privatradiosender einen gemeinsamen Radioplayer einsetzen, 140 Stationen sind zum Start mit dabei. Die Technologie des britischen Radioplayers wird vom deutschen Pendant übernommen. Die deutsche Radioplattform profitiert dadurch von drei Jahren Entwicklungsarbeit. Programmierfehler und Macken in der Software wurden von den Briten bereits behoben. Zudem gibt es neben der Desktop-Variante bereits fertig programmierte Apps für iOS, Android, Kindle und WindowsPhone.

Treibende Kraft hinter der deutschen Radioplattform ist das Radiokonsortium Digital 5, eine Gruppe privater Hörfunkveranstalter, die das grundlegende Problem der Branche erkannt hat: Die Radiosender brauchen strategische Allianzen und neue Modelle zur Monetarisierung ihres Angebots.

Das UKW-Geschäftsmodell funktioniert nach wie vor gut. Der Umsatz stimmt, die Nutzung auch, vor allem wegen seiner hohen Reichweite im Hörermarkt wird UKW noch einige Zeit der einzige Verbreitungsweg sein, über den sich private Veranstalter refinanzieren können. Auch wenn sich der Radiowerbemarkt im Vergleich zu anderen Mediengattungen in den letzten Jahren als äußerst stabil erwiesen hat, die Abhängigkeit von nur einer Erlösquelle ist für die Radiosender mit enormen Risiken verbunden. Die Erschließung des Onlinemarktes ist für die klassischen Hörfunkanbieter daher die größte Herausforderung, da Onlinewerbung mittelfristig das Potenzial hat, eine alternative Erlösquelle für den klassischen Hörfunk zu werden. Aktuell macht der Umsatz mit Online- und Mobile-Werbung lediglich ein Prozent vom Gesamterlös der privaten Sender aus, auch wenn jüngst zweistellige Wachstumsraten im Bereich der Instream-Audiowerbung prognostiziert wurden.

Die starke Smartphoneverbreitung hat vor allem bei den Jüngeren zu einer Verschiebung der Mediennutzungsgewohnheiten geführt. So wurde in der letzten Reichweitenuntersuchung (MA Radio 2014 II) ermittelt, dass die tägliche Hördauer der 10- bis 19-jährigen Radiohörer an einem Werktag nur noch bei 117 Minuten liegt, zwei Stunden weniger als bei der Gesamtbevölkerung. Dem gegenüber steht der enorme Zuwachs in der Onlinenutzung. Laut aktueller ARD/ZDF-Onlinestudie ist die tägliche Onlinenutzung der 14- bis 29-Jährgen innerhalb von nur zwei Jahren von 168 Minuten auf den Rekordwert von 248 Minuten gestiegen.

Die gute Nachricht für die klassischen Radioanbieter: Diese Nutzer hören auch online Radioprogramme. Laut aktuellem Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten haben knapp 30 Prozent der deutschen Haushalte einen Radiozugang mittels Internet und nutzen diesen auch. Wenn Livestreams im Internet gehört werden, sind es immer noch überwiegend die Simulcastangebote der Sender. Die entscheidende Frage ist allerdings nicht, ob Radio über das Internet gehört wird, sondern wie. Über welche Plattformen werden die Radioangebote genutzt und wer verdient daran?

Radio-Aggregatoren – Fluch und Segen zugleich

Radio-Aggregatoren wie radio.de, tunein oder phonostar waren lange Zeit für Sender die einfachste Möglichkeit ihr Angebot im Internet leicht zugänglich zu machen. Aggregatoren erleichtern die Auffindbarkeit, vor allem aber generieren sie Reichweite. So sind in den Top 10 der meistgehörten Sender auf diesen Plattformen fast ausschließlich die etablierten UKW-Radiomarken zu finden. Wenn es allerdings um die Monetarisierung der Radioangebote im Netz geht, sind Radio-Aggregatoren die stärksten Konkurrenten der privaten Funkhäuser.

Der größte deutsche Radio-Aggregator radio.de hatte laut IVW im August 2014 über 17 Mio. Nutzer und die AGOF listet radio.de in der letzten Reichweitenstudie für mobile Werbeträger auf Platz 9 der TOP 30 Applikationen. Die radio.de-Apps wurden bisher über 10 Mio. mal runtergeladen. Zum Vergleich: Die Radio-Apps der erfolgreichsten deutschen Privatradios erreichen selten die 100.000 Download-Marke. Kurzum: Plattformen wie radio.de profitieren von den Programmangeboten der Radiosender, beteiligen diese aber nicht an den Werbeeinnahmen, die sie auf ihren Plattformen erzielen. Dieses fehlende Beteiligungsmodell hatte bereits Ende 2012 dazu geführt, dass einige Webradios radio.de die Weiterbreitung ihrer Streams untersagten.

Eine Plattform für alle deutschen Radios?

Der geplante Radioplayer soll Radioprogramme enthalten, die eine UKW- oder DAB-Zulassung einer deutschen Landesmedienanstalt besitzen, Mitglieder einer ARD-Anstalt und in den verschiedenen Reichweitenmessungen ausgewiesen sind. Der Erfolg des deutschen Radioplayers hängt maßgeblich davon ab, ob private und öffentlich-rechtliche Sender bei diesem Projekt zusammenarbeiten. Das wissen auch die Initiatoren. Eine Radioplattform, auf der ausschließlich Privatsender vertreten sind, wird sich nur schwer im Markt durchsetzen können. In der neu gegründeten Radioplayer Deutschland GmbH wurde daher im Gesellschaftervertrag festgehalten, dass die Hälfte der Anteile für die öffentlich-rechtlichen Sender reserviert sind.

Doch die Teilnahme der ARD-Wellen und vom Deutschlandradio ist ungewiss. Die ARD verweist entweder auf bereits bestehende Angebote oder präsentiert auf der IFA 2014 eigene Lösungen, zuletzt HbbRadio. Oft wird auch die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der digitalen Verbreitungswege am Beispiel von DAB+ erläutert. So haben die ARD-Intendanten in ihrer jüngst beschlossenen Digitalradiostrategie die Teilnahme der öffentlich-rechtlich Sender am deutschen Radioplayer davon abhängig gemacht, ob die Privaten DAB+ zukünftig unterstützen. Den Verantwortlichen scheint das Bewusstsein dafür zu fehlen, dass DAB+ gerade einmal von 5 Prozent der Bevölkerung genutzt wird und für die privaten Sender im Augenblick nicht zu refinanzieren ist. Zudem scheinen sie vergessen zu haben, dass eine Weiterentwicklung des dualen Rundfunksystems auch abseits der Medienpolitik möglich ist. Es gibt Wege, wie die Gattung Radio als heterogenes Gesamtsystem gestärkt werden kann, der Deutsche Radiopreis ist ein gutes Beispiel für so eine Erfolgsgeschichte.

Eine Blockade der öffentlich-rechtlichen Sender beim Radioplayer Deutschland würde nicht nur die von einem gemeinsamen Angebot profitierenden Hörer schädigen. Letztlich würde die gesamte Gattung Radio um eine Innovation im Netz beraubt.

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