mabb oben  rechts bleistift
mabb unten  links zettel

Workshop “The Europe Connection”

Synergien und Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei der Regulierung der Intermediären

Im Juni 2018 hat das Media Policy Lab gemeinsam mit dem Zentrum für Medienvielfalt und Medienfreiheit (CMPF) in Florenz, Italien, Forscher und Vertreter von Medienanstalten verschiedener EU-Mitgliedstaaten zusammen mit Wissenschaftlern zu einem Workshop eingeladen, bei dem Möglichkeiten und Herausforderungen der zukünftigen Regulierung der Intermediären erörtert wurden.

Vier verschiedene Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit den Themen Transparenz, Datenzugang, Diskriminierungsfreiheit und der Auffindbarkeit von hochwertigen journalistischen Inhalten. Als übergeordnetes Ziel ging es bei diesem Workshop um die Festlegung gemeinsamer Ziele und die Koordinierung zukünftiger Schritte, um der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Dienstleistungen (ERGA) Themen und gegebenenfalls konkrete politische Maßnahmen vorzuschlagen. Einige EU-Vorschläge – wie der Vorschlag zu Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten – und Regulierungsänderungen, z. B. die AVMD-Richtlinie, haben eine Diskussion darüber ausgelöst, wie Intermediäre in der Europäischen Union reguliert und kontrolliert werden können. Im Mittelpunkt des Workshops standen die Durchführbarkeit und praktische Umsetzung von Monitoring-Methoden und notwendige Voraussetzungen für die Regulierung.

Die Leitfragen waren:

1. Wie gewährleisten wir Transparenz? Was muss die Öffentlichkeit über algorithmische Entscheidungsfindung wissen?

2. Wie erhalten wir Datenzugang für das Monitoring der Intermediären? Was für ein Audit-Prozess ist erforderlich? Welche Informationen werden benötigt?

3. Wie kann ein gleichberechtigter Zugang für Medienproduzenten sichergestellt werden? Lässt sich das Konzept der Diskriminierungsfreiheit auf die Intermediären übertragen?

4. Wie können wir die Auffindbarkeit von hochwertigen journalistischen Inhalten in einer digitalen Informationswelt erhalten und fördern?

1. Arbeitsgruppe zum Thema Transparenz

Die europäische Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ist die Ausgangsbasis für eine europäische Diskussion über einen gemeinsamen Standard bezüglich der Informationen, die von den Intermediären verlangt werden sollten. Zur Regulierung der Intermediären sollte der Gesetzgeber genauere Begriffsbestimmungen festlegen und die Frage beantworten, von wem welche Informationen benötigt werden. Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass die Öffentlichkeit nicht nur wissen sollte, welche Daten die Intermediären erheben, sondern auch für welche Zwecke diese Daten gewonnen und genutzt werden.

Die Arbeitsgruppe sprach sich zur Herstellung von Transparenz für einen zweigeteilten Ansatz aus: Die Regulierungsstellen sollten einen umfassenderen Zugang zu Daten und Informationen haben, um ihre Überwachungsaufgaben wahrzunehmen, während auf Seiten der Öffentlichkeit für ein tieferes Allgemeinverständnis der Datennutzung gesorgt werden sollte, ohne jedoch auf alle technischen Einzelheiten einzugehen.

Den Nutzern bereitgestellte Informationen sollten so aufbereitet sein, dass sie eine hohe intuitive Benutzerfreundlichkeit aufweisen. Icons in der Benutzeroberfläche könnten einen Zugang zu mehr Informationen bieten, so dass Antworten auf Nutzerfragen bei Bedarf durchsucht werden können und kein zusätzlicher Aufwand oder tiefere Recherchen in den Inhalten zur Selbstbeschreibung der Intermediären erforderlich sind.

Transparenz – zweifellos ein wichtiges Thema – ist nur ein erster Schritt hin zu mehr Nutzerautonomie und zur Sicherung von digitaler Medienvielfalt. Von entscheidender Bedeutung sind dabei ein wirksames Monitoring und Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Inhalte, um Diskriminierungs­freiheit zu gewährleisten.

2. Arbeitsgruppe zum Thema Datenzugang

Diese Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf die Frage, wie ein Monitoring zur Sicherung der Medienvielfalt und Diskriminierungsfreiheit umgesetzt werden könnte. Ein zentrales Ziel bei der Ausgestaltung eines Monitoring-Prozesses für Intermediäre muss dessen Durchführbarkeit und praktische Umsetzbarkeit sein. Die Lösung für ein Monitoring der Intermediären ist kein Bericht, sondern eine Beobachtungsstelle.

Multiperspektivischer Ansatz

Um ein zuverlässiges Monitoring-Verfahren zu gewährleisten, sind verschiedene Datenquellen erforderlich. Die folgenden Punkte zeigen mögliche Schritte auf, wie eine solche Validität des Verfahrens erreicht werden kann:

  • Die Beobachtungsstelle in Form einer „API of APIs“: Technisch könnte der Datenzugang mittels einer Dynamic-Data-Gateway-Infrastruktur hergestellt werden, da anstelle eines wiederkehrenden Berichts eine technische Schnittstelle benötigt wird, die als Programmierschnittstelle für Auswertungsanwendungen dient. Scraping-Tools wie „Robin“, die von der Universität Amsterdam verwendet werden, könnten eine zusätzliche Perspektive schaffen und dadurch Widersprüche aufdecken.

Zur Sicherstellung der Validität der über das Dynamic-Data-Gateway bereitgestellten Daten könnte zusätzliche externe Forschung als Mittel zur Triangulierung der Ergebnisse und damit zur Verifizierung der Datengenauigkeit genutzt werden. Scraping-Tools wie „Robin“, die von der Universität Amsterdam verwendet werden, könnten eine solche zusätzliche Perspektive schaffen. Eine wichtige Frage ist, wie ein solches Dynamic-Data-Gateway aufgebaut sein soll und wie das Design des Gateways eine machbare und nachhaltige Lösung für das Monitoring bieten kann. Eine Möglichkeit könnte ein „Multi-Stakeholder-Ansatz“ sein, bei dem ein Gremium geschaffen wird, das die Nutzung dieses Gateways regelt und beaufsichtigt. Ein solches Gremium könnte international auf EU-Ebene mit Vertretern von Medienanstalten, Regierungen, privaten Parteien und Nichtregierungsorganisationen gebildet werden.

  • Internes Audit: Ein weiterer Ansatz könnte ein internes Monitoring durch eine Expertengruppe sein, die sich unter der Leitung der Medienanstalten aus Vertretern von Regulierungsbehörden und wissenschaftlichen Einrichtungen zusammensetzt. Der Gruppe könnte seitens des Intermediären Datenzugang gewährt werden, um über einen bestimmten Zeitraum Forschungsarbeiten durchzuführen: Auf diese Weise würde die Gruppe ein tiefergehendes Verständnis der internen Prozesse bekommen, stünde aber vor der Herausforderung, Mittel und Wege zu finden, um die Genauigkeit der bereitgestellten Daten sicherzustellen.
  • Derzeitige Forschungsmöglichkeiten: Auch angesichts stärkerer Beschränkungen des Datenzugangs gibt es bereits verschiedene Forschungsansätze, um die Datennutzung der Intermediären besser zu verstehen. Der bevorzugte Ansatz besteht in der Verwendung anonymisierter APIs (wie beispielsweise Netvizz), da hier ethische Aspekte und Datenschutz­standards am besten erfüllt werden. Eine freizügigere Nutzung von APIs wäre in beiderlei Hinsicht zu überlegen und bezüglich ihrer Notwendigkeit zu hinterfragen. Andere Forschungs­ansätze betreffen Nutzeraufnahmen (z. B. mit webrecorder.io), Archivierungsmethoden, Browser-Tools, die eine Einwilligung des Nutzers erfordern, Scraping über Schnittstellen (was häufig durch die Dienste blockiert wird) und nicht zuletzt qualitative Methoden.

3. Arbeitsgruppe zum Thema Diskriminierungsfreiheit

Die Frage der Diskriminierungsfreiheit war zwar schon immer ein komplexes Thema für Medienregulierungsstellen, hat aber im digitalen Zeitalter eine ganz neue Stufe erreicht. Wie können personalisierte Dienste verpflichtet werden, einen gleichberechtigten Zugang zu gewähren?

Müssen wir neue Mechanismen schaffen, um Pluralismus und Offenheit des öffentlichen Raums zu erhalten, so dass jedermann teilhaben kann? Wie definieren wir Kriterien, um Diskriminierungsfreiheit zu garantieren?

Das Ziel, welches Antidiskriminierungsstrategien zu Grunde liegt, ist die Sicherung der Medienvielfalt. Daher geht es um die Frage, wie sich digitale Medienvielfalt mit neuen Mitteln sichern lässt. Die folgenden Ideen sind als Ausgangspunkt für eine Diskussion gedacht, die sich damit beschäftigt, wie dem Ziel der Diskriminierungsfreiheit in der digitalen Welt mehr Nachdruck verliehen werden kann.

  • Gleichbehandlung: Intermediäre sollten ihre eigenen Kriterien zur gleichberechtigten Pflege ihrer Inhalte festlegen und anwenden. Für die Nachvollziehbarkeit dieses Prozesses und zur Sicherstellung seiner Validität müssen Intermediäre in Bezug auf ihre eigenen Richtlinien, wonach bestimmte Arten von Inhalten bevorzugt oder nachrangig behandelt werden, für Transparenz sorgen. Insbesondere dann, wenn politische Haltungen für den Output des Content-Managements ausschlaggebend sein können (auch in der ehrenwertesten Weise), sollten die entsprechenden Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sein.

  • Strukturelle Gleichheit: Ein anderer wichtiger Ansatz, um eine größere Vielfalt im Content-Management zu gewährleisten, besteht in der Auswertung der Datensätze, mit denen die Empfehlungsalgorithmen der Intermediären trainiert werden. Voreingenommenheiten in den Trainingsdatensätzen können eine wichtige Quelle für Diskriminierung sein. Die Untersuchung von Voreingenommenheiten der Algorithmen durch Medienanstalten kann auch bedeuten, dass die Vielfalt in der Unternehmenskultur und alle Daten, die am Training der betreffenden Algorithmen beteiligt sind, in den Blick genommen werden.

  • Rat für soziale Medien: Zur Unterstützung des Ziels der Diskriminierungsfreiheit könnte von den Intermediären verlangt werden, Informationen über die algorithmischen Entscheidungs­prozesse bereitzustellen, die Einfluss auf ihr Content-Management haben. Der einzelne Nutzer wäre mit solchen Informationen angesichts ihrer Komplexität überfordert, und selbst für die Medienanstalten könnte es schwierig sein, die bereitgestellten Daten zu verwalten. Räte für soziale Medien könnten in diesem Bereich Hilfestellung bieten. Solche Räte könnten als Vermittler zwischen den Regulierungsbehörden und den betroffenen Unternehmen fungieren. Dieser Ansatz würde Ko-Regulierung und Selbstregulierung miteinander verbinden.

4. Arbeitsgruppe zum Thema Auffindbarkeit journalistisch hochwertiger Inhalte

Im Massenmediensystem wird journalistischen Inhalten von öffentlichem Wert in vielen EU-Staaten eine bevorzugte Stellung eingeräumt. Es gibt einen weit verbreiteten Konsens darüber, dass freigegebene hochwertige Medieninhalte in Demokratien eine wichtige gemeinsame Grundlage für den öffentlichen Diskurs bilden. Gerade heute sind hochwertige journalistische Inhalte unerlässlich, um Desinformationskampagnen entgegenzuwirken. Das können sie aber nur, wenn sie gefunden werden. Die Ökonomie der digitalen Aufmerksamkeit verändert die Spielregeln, wie Medieninhalte konsumiert werden. Deshalb stellt sich die Frage, ob es notwendig ist, bestimmte Online-Inhalte hervorzuheben, um der Idee des öffentlichen Werts in der digitalen Welt neue Geltung zu verschaffen. Die folgenden Punkte skizzieren Ideen, wie dieses Ziel erreicht werden könnte.

Definition von journalistischen Inhalten mit öffentlichem Wert: Um das Ziel zu erreichen, dass Online-Inhalte von öffentlichem Wert gefördert werden, müssen wir zuallererst exakt definieren, was wir für die digitale Welt unter öffentlichem Wert verstehen. Nur auf der Grundlage einer genauen Definition von öffentlichem Wert können Regulierungsstellen Anreize für Produzenten digitaler Medien schaffen, einem Onlinepublikum Inhalte von öffentlichem Wert bereitzustellen. Eine wichtige Frage dabei ist, wer definieren soll, was öffentlicher Wert heute bedeutet (z. B. die Regulierungsstelle oder der Nutzer?), und wie ein Prozess zur Neudiskussion der Bedeutung von öffentlichem Wert in der Öffentlichkeit eingeleitet werden könnte.

Schaffung von Anreizen: Zur Förderung der Produktion von Inhalten von öffentlichem Wert können Regulierungsstellen Anreize schaffen: z. B. Sonderrechte bei Rankings, finanzielle Beteiligung an Lizenzgebühren oder andere Arten finanzieller Förderung. Mögliche Risiken einer direkten finanziellen Unterstützung müssten vorab untersucht und ausgeschlossen werden, so dass es zu keiner politischen Einflussnahme kommt.

Grüne Ampel für hochwertige Inhalte: Angesichts der Überflutung mit Informationen ist es für die Nutzer schwierig, bei der Qualität und Glaubwürdigkeit von Online-Inhalten zu unterscheiden. Eine Option könnte es sein, die Nutzer visuell bei der Unterscheidung zwischen Inhalten mit öffentlichem Wert und Inhalten ohne öffentlichen Wert zu unterstützen und dazu ein ähnliches symbolisches Ampelsystem zu nutzen, wie es von der Lebensmittelindustrie verwendet wird.

Sammeln von empirischen Erkenntnissen: Bevor die Regulierungsstellen konkrete Schritte zur Förderung von hochwertigen journalistischen Inhalten ergreifen, sind weitere Informationen hilfreich. Nur ein exaktes empirisches Wissen über Informationsdefizite bei den Bürgern kann den Behörden als Grundlage für die Ausgestaltung von Maßnahmen dienen, die hier Abhilfe schaffen sollen.

Schlussfolgerung und nächste Schritte

Als eine wichtige Schlussfolgerung aus diesem interessanten Workshop wurde ein Bedarf an mehr Austausch zu Untersuchungen und Ergebnissen zur Online-Mediennutzung festgestellt, um gemein­same Herausforderungen stärker auf empirischer Basis zu bestimmen. Ein weiteres Fazit ist, dass die Medienanstalten neue Prioritäten setzen müssen: Die digitale Informationswelt braucht nicht nur die Regulierung durch die Medienanstalten, sondern zwingt diese auch, ihre Prioritäten zu überdenken und ihre Ressourcen umzustrukturieren, um den Bedürfnissen der digitalen Gesellschaft gerecht zu werden. Die Medienanstalten müssen intern einen Prozess zum Erwerb neuer Kompetenzen einleiten und das Hauptaugenmerk dabei auf neue Analysekapazitäten legen.

Viele Herausforderungen in Verbindung mit der digitalen Medienvielfalt betreffen mehrere EU-Mitgliedstaaten gemeinsam. Entsprechende Lösungen erfordern Maßnahmen auf EU-Ebene sowie vereinte Anstrengungen, um in einer gemeinsamen digitalen Welt die Medienvielfalt zu sichern.

Wir möchten allen Teilnehmern für ihr Kommen danken. Wir glauben, dass viele der hier dargelegten Ideen sehr nützlich sind und sowohl in EU-Kreisen (wie ERGA und EPRA) als auch in jedem einzelnen EU-Staat weiter diskutiert werden sollten.

zurück zur Übersicht